Homo Erectus
 
(e.) Twin Gabriel
Fotoserie
2007
(e.) Twin Gabriel
Zonenrand (homo sap. feat. homo er.)


Stichwort ist Homo erectus, ein Vorfahre des Homo sapiens und der erste "global player mit Migrationshintergrund". Homo erectus war es, der als erster Hominide aufrecht gehend Afrika verließ und weite Teile der Welt besiedelte. Er lebte möglicherweise 10 mal so lange auf der Erde wie unsere eigene Art. Die Spekulationen hierüber, genauso wie über die intellektuelle und kulturelle Grundausstattung des H.e. und auch die genaue Abgrenzung gegenüber dem Jetztmenschen gehen unter den Forschern weit auseinander. Klar ist, daß Homo erectus den Umgang mit Feuer kannte, ein versierter Werkzeugmacher war und seine Anatomie besonders gekennzeichnet war durch seinen helmartigen Schädel mit wuchtigen Überaugenbögen. (e.) Twin Gabriel nennen ihr Vorgehen auch "experimentelle Anthropologie". Den bestehenden wissenschaftlichen Spekulationen setzen sie ihre eigenen, vielleicht trivialen, vielleicht naiven Entwürfe entgegen. Twin Gabriel interessieren sich für Beziehungssysteme, Denk- und Handlungsräume und das schillernde Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit. Die Störung im System, die Brüche, die Widersprüchlichkeiten, gepaart mit möglichst genauer Vorbereitung und Recherche, und direkt aus der Ernsthaftigkeit folgenden slapstickartigen Episoden führen zu Bildern und Konstellationen, die Möglichkeit und Unmöglichkeit zugleich enthalten. Zeitreise und Gedankenspiel sind Möglichkeiten, die in der Kunst in reale Räume, Gegenstände, Bilder umgesetzt werden können. Damit sind sie wieder eingeordnet in Jetztzeit und Zeitgeist mit ihren ästhetischen und technischen Gegebenheiten und Ideologien.



Auszug Text von Dr. Nicole Fritz für den Ausstellungskatalog der 10. Kleinplastiktriennale Fellbach 2007:

 (e.) Twin Gabriel

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Gegenstand ihrer aktuellsten Performance „Homo erectus“ (Arbeitstitel, 2007) ist die Vor- und Frühgeschichte des Menschen. In dem für die Triennale konzipierten Projekt werden sie sich mit ihren zwei Kindern, mithilfe einer Maskenbildnerin als Familie in die Rolle von Urmenschen begeben und in einem alten Mercedes Wohnmobil von Berlin nach Fellbach fahren. Charakteristisch für den Homo erectus, der ca. zehn mal solange wie der heutige moderne Mensch auf der Erde lebte, waren die helmartige Schädelform und die beeindruckenden Überaugenbögen. Von Afrika aus verbreitete sich Homo Erectus vor vielleicht 1 Mio. Jahren bis nach Europa, wo er als Jäger und Sammler vor 200 000 Jahren, oder auch erst vor 40.000 Jahren ausstarb. Auch wenn nicht anzunehmen ist, dass sich Twin Gabriel und Co. auf ihrer Reise gen Süden wie ehemals der Urururahn von Früchten, Knollen und selbst erlegten Waldelefanten ernähren werden, wollen sie bei ihrer performativen Erinnerungsreise dennoch den Versuch unternehmen, sich in die Urformen des Menschseins einzufühlen und sich den mnemischen Wellen der Vergangenheit zu überlassen. Verlauf und Ausgang des als offener Prozess angelegten Projektes sind ungewiss. Auf der Reise entstehen Fotos und Filme. Letztere werden zusammen mit einer Edition der plastischen Überaugenbögen als Relikte der experimentellen Anthropologie auf der Triennale ausgestellt.
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